#Weniger ist mehr oder umgekehrt?

Haben Sie es auch wieder gemerkt? Wie fast immer gegen Ende des Jahres ist der Umgang mit Zeitmangel im Vorfeld des Kalenderwechsels DAS dominante Thema: Was man alles tun soll, um Stress zu vermeiden, wie man gut zu sich selber schauen und gar die Tage vor den Weihnachtsfestivitäten geniessen kann mit diesen oder jenen Mitteln. Das alles lese ich in der Postille des Gratisratgebers am überfüllten Bahnhof, während ich auf den nächsten Zug warte, weil der eigentliche ausgefallen ist.

Während ich also so allein in der Menge aller anderen Wartenden ebenfalls warte und überlege, welche Alternativen zum Heimreisen ich noch auf dem Handy suchen könnte, um die verlorene Zeit aufzuholen, zupft mich jemand am Ärmel. Eine Bekannte freut sich, mich zu sehen. Sie sei grade auf dem Weg in den Kindergarten, wo es einen Weihnachtsabend gebe und sie müsse eigentlich losrennen, aber was ich denn so mache? Sie will das jetzt wirklich wissen. Und dafür nimmt sie sich Zeit, obwohl - sie müsste ja eigentlich gehen oder eher rennen.

Im Rückblick kommen mir die wenigen Minuten unseres Treffens vor, also ob ich einen guten Abend lang mit ihr beim Znacht geplaudert hätte und als ich im vollgestopften Zug heimwärts reise, merke ich, wie ich mich beschwingt fühle. Vom Austausch, von ihrer freundlichen Art und sicher auch vom Thema, das uns verbindet: Wir mögen beide die Kunst des Malens und Zeichnens.

Fünf Minuten sind wenig, aber doch mehr als bloss Zeit. Viel mehr. Und während ich dies schreibe, finde ich es schön, dass mir dieses kurze Treffen vor sicher zwei Wochen noch immer so wertvoll erscheint.

Vielleicht haben Sie jetzt auch fünf Minuten Zeit verbracht beim Lesen. Vielleicht haben Sie genossen, was Sie erlebt haben dabei. Das wäre schön!

Bleibt mir noch Zeit für einen letzten Satz oder sind Sie schon weg? Ich kann’s ja probieren: Zum Ende des Jahres wünsche ich Ihnen in Anbetracht der Zeit nur noch kurz dies: Dass Sie in diesem alten Jahr nochmals das Beste für sich erleben. Und immer wieder die kleinen Momente im grossen Strom des Alltags merken, die viel mehr als weniger sein können.

Cornelia Schwager